TRY THE IMPOSSIBLE

VERSUCHE DAS UNMÖGLICHE

SUN RA

IN TUVA, SIBIRIEN AM USTUU-HUREE FESTIVAL MIT THE SUN RA ARKESTRA UNTER DER LEITUNG VON MARSHALL ALLEN

Es ist der Luxus in der Suite des HOTEL MÖNGÜLEK in KYZYL, REPUBLIK TUVA, Sibirien, Zentral Asien, mit fliessend kalt Wasser and tageweise auch ohne – es ist dies der Ort, der mich empfindsam stimmte für das Paradies, das Verlorene oder das Gewonnene.

Lassen Sie mich die Geschichte erzählen, die THE SUN RA ARKESTRA unter der Leitung von Maestro MARSHALL ALLEN in Tuva schrieb.

DIE SIBERISCHE REISE

Es klingt nach einem Wunder als IGOR DULUSH, Organisator des USTUU-HUREE FESTIVALs, quer über den leeren weiten Platz zwischen dem Parlamentsgebäude und dem Theater in Kyzyl geht, einen Sack geschultert, der eine Million Rubel (Eine Million Rubel haben einen Wert von 200 Apartments oder 20'000 Mahlzeiten oder 33'000 $.) enthält! Fühlt er sich als reicher Mann, fühlt er sich arm? Er geht vorbei an der weissen asiatischen Architektur, geht im Schatten der Bäume, die die Allee säumen, biegt an der Ecke links ab, betritt die Bank – und nichts, gar nichts geht! Die Bank weigert sich die Million Rubel anzunehmen, das Geld nach USA zu überweisen, wo es dringend für den Kauf der Flugtickets gebraucht wird, damit die Musiker fliegen.....

Nach Kopenhagen... nach Moskau... nach Krasnojarsk... nach Kyzyl, der Hauptstadt der Russischen Republik Tuva... 48 Reisestunden – jemand hat es ausgerechnet und 12 Stunden Unterschied in der Zeitzone. Es ist ein erlösender Augenblick aus dem Miniaturflieger auszusteigen, wo das Gepäck sich hinter unseren Rücken stapelte, hinauszutreten in das helle Licht eines strahlenden Morgens und umfangen zu sein von den offenen Armen Igors. Erste Bilder werden geknipst, das Kameraauge des tuvinischen Fernsehens hält die Ankunft fest, Worte des Willkommens, Worte des Dankes werden ausgetauscht und Fragen gestellt: Wie fühlt es sich an, hier zu sein? – Saubere Luft zu atmen – wieder festen Boden untern den Füssen zu haben – einen teuren Freund zu umarmen und zu wissen, das dieser TRAUM WIRKLICHKEIT ist...

Es ist eine Freude, die Musiker zu begrüssen, die vor dem Ministerium für Kultur warten, einige bekannte Gesichter zu sehen und solche, die zu der Stimme am Telefon gehören... Hände schütteln, für Fotos posieren und dann gibt es die erste warme Mahlzeit im Innern – Suppe, Reis, Fleisch und Salat. Dann besteigen wir die Busse und fahren mit Polizei Eskorte, die an jeder Kreuzung den spärlichen Verkehr blockiert, in Richtung CHADANA.

Erster Halt an einem OVAA – das ist ein heiliger Ort der Schamanen, wo sich Steine um Äste lagern, die mit unzähligen bunten Bändern, worin Wünsche eingeflochten wurden, dekoriert sind. Sie heissen CHALAMA. Einen Stein dazulegen, einige Münzen zurück lassen, damit die Reise erfolgreich wird.

Nächster Halt an einem buddhistischen Denkmal, errichtet zu Ehren des DALAI LAMA XIV, der am 20. September 1992 Tuva besuchte. Wir erklimmen den Hügel, von wo aus der Blick über das Tal des Stromes YENISEI schweift und über die Hügelketten, die im weichen Dunst unter dem weissen heissen Nachmittagshimmel liegen.

Kaum unterwegs ein dritter Halt an einem kleinen Strassen-Restaurant, das für die Reisenden neben Zigaretten auch die beliebte, wohlschmeckende Nudelsuppe mit Schaffleischstückchen darin anbietet, dazu frisches Brot und Tee. Die Strasse zieht sich als asphaltiertes Band zwischen breiten Rabatten durch die einsame Landschaft.

CHADANA

Aus dem Nichts tauchen gigantische Buchstaben auf: ЧАДАНА – CHADANA, eine kleine Stadt, die sich über das flache Land ausdehnt, gebaut hauptsächlich aus niedrigen Holzhäusern. Der buddhistische Tempel gewährt dem USTUU-HUREE Festival Gastrecht, das sich breit macht neben dem Backsteingebäude mit den grün glasierten Ziegeldächern, deren asiatischer Schwung sich mehrfach fortsetzt.

Die grösste und hübschest dekorierte Jurte ist für die afroamerikanischen Musiker von The Sun Ra Arkestra aufgebaut worden (inklusiv militärische Bewachung). Die Jurte ist das Heim der Nomaden, das in kurzer Zeit auf- und abgebaut werden kann und mit der Schafherde zum Sommer- oder Wintersitz mitgenommen wird. Die Jurte ist ein zeltähnlicher Rundbau mit einer skelettartigen Holzstruktur, die mit Filz und einem regendichten Tuch gedeckt und mit Schnüren befestigt wird.

Der oberste Teil bleibt meist offen, um das Innere zu belüften. Im Winter ragt ein mit einem einfachen gusseisernen Herd verbundenes Ofenrohr durch die rechtwinklig verstrebte Rundung der Öffnung. Die wiederum ist durch strahlenförmig angeordnete Streben mit einem etwa 1.70 m hohen Scherengitter verbunden. Der Durchmesser der Jurte beträgt etwa 6 m und die Höhe in der Mitte etwa 2.70 m.

Die Jurte besitzt wegen ihrer runden Form und ihrem strukturierten Raum eine harmonische Energie. Sie repräsentiert die Himmelsrichtungen und zeigt die Zeit an – die Sonne markiert die Stunden und der Mond scheint in den austarierten Raum. Die geschnitzte Türe ist im Süden. Wer eintritt zieht die Schuhe aus. Dicke Teppiche liegen auf der bewachsenen Erde. Ein Bett im Westen, ein Bett im Osten, beide mit farbigen Seidentüchern bezogen. Im Norden stehen einige verzierte Truhen und neben dem Eingang ein Schrank für persönliche Habe und für Lebensmittel. In der tuvinischen Tradition teilen sich Männer und Frauen die Jurte und leben in grösseren Familienverbänden zusammen. Der Westteil ist den Männern vorbehalten, der Ostteil den Frauen. Dies ist in etwa die Botschaft der beiden buddhistischen Mönche, die uns in der Jurte willkommen heissen.

Aber ach – einige der Musiker halten die Jurte für ein ausschliesslich männliches Revier und nicht geeignet für die weisse Frau, es mit ihnen zu teilen... Aber ach – nach all der Reiserei, der Schweiss treibenden Sommerhitze gibt es kaum Wasser, gerade genug, um sich Hände und Gesicht zu waschen... Aber ach – die Toiletten sind Plumpsklos und die Seite der Männer echt schlimm... Aber dann nimmt der Schlaf Oberhand und einige legen sich auf den Boden und die Betten...

Als ich Igor diese schwierige Situation erkläre, nachfrage, ob ich vielleicht nicht anderswo unterkommen könnte, sagte er mir, dass es keine andere Unterkunft gäbe, und dass nach tuvinischer Sitte man zusammenlebt und niemals getrennt. Dann fügt er hinzu: CULTURE SHOCK und lächelt weise – Das ist das Schlüsselwort für alle Irritation. Es ist eben nicht das normale Sternen dekorierte Hotel mit Einzelzimmer und grossem Bett, dafür aber eine königliche Jurte in unmittelbarem Kontakt zur Erde und mit einer Lebensart, die auf Gemeinschaft und Zusammenarbeit beruht. Und sogar das Klo ist eigentlich hygienisch und wohl auch weniger verschmutzend als das westliche Wasser-Modell... Am nächsten Tag ist das RUSSIAN BAGNA, das russische Bad geheizt und wir erfreuen uns der Sauna und der Möglichkeit sich zu waschen mit heissem Wasser vom Ofen und kaltem Wasser aus einer Badewanne, angenehm durchmischt in einem runden emaillierten Becken!

Eigentlich gibt es kaum Zeit auszuruhen – neugierige Gesichter erscheinen in der Türöffnung der von Soldaten bewachten Jurte und wer auch immer hinausgeht, ist umringt von einer Menge Einheimischer, die das ultimative Foto schiessen wollen, und von der Presse, die viele Fragen hat – beispielsweise: Welches ist Ihre Botschaft für die jungen Menschen in Tuva? – Es ist MUSIK, vor allem die Musik von Sun Ra und Marshall Allen, gespielt von eines Schöpfers Band...

Die WILLKOMMENSZEREMONIE wird von wunderschönen jungen Frauen in schillernden Seidenkleidern und blumenartigen Hüten zelebriert. Sie offerieren jedem Gast eine Schale Milchtee und einen grünen oder blauen Schal. Grün ist die Farbe des sommerlichen Reichtums, blau die Farbe des Universums und der spirituellen Kräfte.

DER KARNEVAL

Schon bald begann der KARNEVAL – die Prozession um und durch Chadana. Die buddhistischen Mönche führen die Prozession an, gefolgt von den politischen Würdenträgern und von buddhistischen rituellen Masken: Verschiedene Buddha Masken in rosa, blau und braun mit einem vertikalen Auge auf der Stirn als Sinnbild für Erleuchtung, dann der weissbärtige alte Mann als Gott für Fruchtbarkeit und Meister der Erde und des Wassers, und zum Schluss eine Vogelmaske und eine Rehmaske, die sich auf die Kräfte der Tiere beziehen.

Die Prozession setzt sich fort mit der Trommel-, Glocken- und Rhythmusgruppe und den vielen Musikern, manche haben ihre Instrumente dabei und sind traditionell gekleidet. In regelmässigen Intervallen sind lang gezogene monotone Klänge der Blasinstrumente zu vernehmen. Ein Lastwagen, der in eine Bühne verwandelt ist, begleitet den Karneval. Wann immer die Prozession anhält, spielen junge tuvinische Musiker auf dem Wagen für die vielen neugierigen Teilnehmer...

DIE ERÖFFNUNGSZEREMONIE DES USTUU-HUREE FESTIVALS

Die Eröffnungszeremonie des Festivals folgt den Ansprachen des Vizepräsidenten der Republik, der Kulturministerin, des Bürgermeisters von Chadana und des Festivaldirektors. Eine betende Buddhafigur wird auf der Bühne enthüllt – es sieht wunderschön aus: Das gedämpfte Rot der Mönchstracht neben dem strahlenden Gold der Buddhastatue, die hellen Schwaden des Weihrauch begleitet vom wiederholten Gesang der Gebete.

Dann fällt reichlich REGEN. Dies wird als positives Zeichen der Geister betrachtet und niemand erwartet, dass der Regen bald aufhören würde... So verschiebt sich das musikalische Programm auf den nächsten Nachmittag...

УСТУУ - ХУРЭЭ

DIE TEMPELRUINE USTUU-HUREE

In 10 Auto-Minuten Entfernung vom Festival erreichen wir die majestätische Ruine des Ustuu-Huree Tempels, der während des Sowjet Kommunismus bis auf die Grundmauern zerstört wurde und dessen Bewohner verfolgt und umgebracht wurden.

Als ich ankomme, ist die buddhistische Zeremonie in vollem Gange. Im Ruineninneren ist auf einem Tisch das Bildnis des jetzigen Dalai Lama aufgestellt, davor mehrere Schalen mit gewürzter Milch, Konfekt, Rubelnoten und Münzen, und an die hintere Wand gelehnt, stehen durch Schnüre verbundene Stangen, die dicht mit bunten Chalama und Gebetsfahnen versehen sind. Menschen reihen sich zu langen Schlangen, um den Ringfinger der rechten Hand in die Milch zu tauchen und damit Stirne und Haar zu benetzen. Gaben werden zurückgelassen und manch einer bindet seine Gebetsfahne, manchmal versehen mit hoffnungsfrohen Worten, über die vielen Wünsche anderer...

Wachholder Weihrauch hängt in der Luft und viele umrunden den Tempel im Uhrzeigersinn, den kruden Stein meistens an den Ecken berührend. Ich entdecke mehrere Münzen, die in schmalen Spalten stecken...

FATE IN A PLEASANT MOOD
      CAN CHANGE YOUR DESTENY
YOUR DESTINY IS IN THE HANDS OF FATE
AND ALL YOU GOT TO DO TO CHANGE YOUR DESTENY
      FIND FATE
           FIND FATE
AND FATE IS IN A PLEASANT MOOD
      CHANGE YOUR DESTENY….

SUN RA & HIS ARKESTRA – LOVE IN OUTER SPACE , Leo Records CD LR L54

DAS USTUU-HUREE FESTIVAL

ist dem gleichnamigen Tempel gewidmet und trägt zur Wiedererrichtung des buddhistischen Gebäudes aus dem frühen 15. Jahrhundert bei...

Das Festival hat viele junge Musiker und Musikstudenten aus Tuva im Programm. Es ist überraschend, all die jungen Talente zu hören, die in der weit zurückreichenden Tradition des Kehlkopf- und Obertongesangs und im Spiel der einheimischen Instrumente geschult sind.

TRADITIONELLE INSTRUMENTE

Ich möchte für die Darstellung traditioneller Instrumente Herrn Zoya Kyrgys, Direktor des Internationalen Forschungszentrum „Khoomey“ in Kyzyl zitieren:

IGIL (Pferdevioline) hat zwei Saiten und wird mit dem Bogen gestrichen. Das Streichinstrument findet häufig Erwähnung in heroischen Epen, Liedern und Märchen des tuvinischen Volkes. Das Timbre des Igil gleicht der menschlichen Stimme und seine saftig samtene Klangfarbe, manchmal mit nasalem Schwirren ist leiser als vergleichbare Instrumente. Die Stimmung ist eine Quinte.

BYZAANCHY hat vier Saiten und wird mit dem Bogen gestrichen. Es erfreut sich grosser Beliebtheit, sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart. Die Saiten werden paarweise als Quinte gestimmt und die Klangfarbe ist harscher und knarrender als das Igil. Beide Instrumente, Igil und Byzaanchy, sind unzertrennliche Begleiter der Sänger, Schauspieler, Geschichtenerzähler und Kehlkopfsänger.

DOSHPULUUR hat zwei Saiten und wird gezupft. Früher war es weit verbreitet und in jeder Jurte anzutreffen. Seine Klangfarbe ist samtig, kammermusikalisch und weich. Es ist das populärste Instrument der Kehlkopfsänger.

CHANZY hat drei Saiten und ist weit verbreitet in Zentralasien. Die Saiten sind sehnig und der Holzkörper ist mit Schlangenhaut überzogen. Der Klang ist laut und wird durch Zupfen der rechten Hand hervorgerufen. Es ist bei Kehlkopfsängern sehr beliebt.

CHADAGAN (10-saitige Zither) hat mehrere Saiten und stellt eines der weit verbreiteten Instrumente aus alter Zeit dar. Die Zither findet häufig Erwähnung in heroischen Epen, Legenden, Märchen und Volksliedern des tuvinischen Volkes. Die Stimmung erfolgt in Quinten und die Klangfarbe ist stark und hell. Sie wird meist als begleitendes Instrument eingesetzt.

Anna Iridekova, Studentin am staatlichen Lyzeum der Republik Tuva hat weitere Informationen zu folgenden Instrumenten:

DEMIR-HOMUS ist eine kleine metallene Maultrommel, die in Tuva auch „Chaaktary“ genannt wird, was wörtlich übersetzt heisst: Die Wangen mit der Zunge dazwischen. Die Maultrommel hat ein speziell gefertigtes Etui aus verziertem Holz, um die schmale Zunge zu schützen.

Die Maultrommel wird sowohl als Solo-Instrument eingesetzt als auch in Begleitung zu Gesang und ist charakterisiert durch ihren grossen Melodien-Reichtum. Der Spieler kann improvisierend die Töne des Waldes und seiner Bewohner nachahmen.

Es waren einmal in alter Zeit zwei junge Leute, die sich leidenschaftlich liebten. Aber der Vater des Mädchens gab sie einem anderen Mann zur Frau. Und ihr geliebter Jüngling ward darob wahnsinnig. Er erschuf das Demir-Homus und spielte darauf sehr traurige und lyrische Weisen. Er vergass zu essen und zu trinken und spielte nur. Eines Tages, als er sich besonders verzweifelt fühlte, sprang er von einem hohen Felsen in den Tod. Als sein Mädchen dies erfuhr, folgte sie seinem Beispiel. Seit jener Zeit wurde Demir-Homus zum Symbol der Liebenden.

LIMBY ist eine Flöte aus Bambusrohr, das an dem oberen Ende mit einem hölzernen Pfropfen verschlossen wird. Der Tonkörper hat 7 bis 11 Löcher. Jede Flöte hat eine andere Anzahl Löcher und eine unterschiedliche Grösse. Männern bleibt es vorbehalten dieses Instrument zu spielen. Es ist mit dem tibetischen Glauben verbunden und auch sein Name ist tibetischen Ursprungs.

Da gibt es noch ein anderes Musikinstrument: SHOOR besteht aus zwei Flöten – Yin und Yang Flöte – eine ist dicker und länger. Jede Flöte besteht aus einem Rohr aus Weidenholz und neuerdings aus Metall, das Rohr ist an beiden Enden offen und hat 5 Löcher. Der Klang der Flöten wird mit dem KARGYRAA, dem baritonalen Kehlkopfgesang verglichen.

TRADITION DES KEHLKOPFGESANGS

Tuvinische Musik drückt sich oft als KHOOMEY aus – als Kehlkopfgesang, der durch den speziellen Gebrauch der Stimmbänder zu Stande kommt. Es gibt mindestens fünf verschiedene Stile.

KHOOMEY besteht aus 2 Tönen – Ton und Oberton, die gleichzeitig gesungen werden. Es ist ein Stil, so wird gesagt, der ein Kind in den Schlaf wiegen kann.

SYGYT besteht aus einem leicht gepressten Doppelton im oberen Register und klingt wie der Lauf einer melodiösen Flöte.

KARGYRAA drückt sich in gutturalen, voluminösen, tiefen Tönen aus.

BORBANNADYR ist ein betontes Tremolo – die rollende Stimme erinnert an den gurgelnden Klang von fliessendem Wasser.

EZENGILEER spielt mit dem nasalen Klang ng-gü.

CHYLANDYK ist eine Mischung aus Sygyt und Kargyraa.

Jeder Kehlkopf/Oberton Sänger hat seinen eigenen individuellen Stil, den er perfekt beherrscht. Zudem verfügt er auch über ein vertieftes Wissen vieler traditioneller Lieder, die mündlich von Generation zu Generation überliefert werden. Kehlkopfgesang war ursprünglich eine Männerdomäne. Am Ustuu-Huree Festival nehmen auch Musikerinnen, vor allem auch junge Sängerinnen und Instrumentalistinnen teil, die den Kehlkopf- / Obertongesang und das Spiel der traditionellen Instrumente mit Bravour und Präzision beherrschen - obschon die Gewinner der Disziplin Gesang männlich sind, nämlich die Mitglieder der Band ALASH.

Alle tuvinischen Musiker/Musikerinnen sind in wunderbare seidene Gewänder gekleidet und tragen Hüte mit einem in sich verschlungenen Knoten, der weder Anfang noch Ende hat – das Symbol des UNIVERSUMS...

Neben dem buddhistischen Tempel ist die überdachte Bühne errichtet worden, ausgestattet mit all der Licht- und Tontechnik, die für ein Musikfestival als Standard gilt. Im Gegensatz zur klassischen Musik, die in exzellenter, Klang verstärkender Architektur stattfindet, ist die meiste nicht-klassische Musik heutzutage verstärkt, und fügt dem ursprünglichen Klang des Instruments die Qualität der Verstärkung hinzu. Die akustische Qualität des Klanges ist verändert und er verliert etwas von seiner Wärme und seiner natürlichen Klangfarbe. Andererseits ist die open-air Situation doch sehr attraktiv und erlaubt es mehreren tausend Besuchern aller Altersstufen, ein lebendiges Interesse am Festival und seiner internationalen Musik zu haben.

Das Publikum ist eine grosse Überraschung – nicht nur, dass die Besucher in Scharen kommen, nein auch dem Alter ist keine Grenze gesetzt: Mütter nehmen ihre Babys und Kinder mit und es gibt viele Gesichter, die von den Spuren eines langen Lebens gezeichnet sind. ALLE KOMMEN. Am meisten beeindrucken mich die vielen neugierigen Kinder, die mit offenem Mund und grossen Augen den bekannten und fremden Klängen der Musik lauschen... Anders als in westlichen Gesellschaften, wo Kinder mit Absicht von der Musik ferngehalten werden, haben die tuvinischen Jungs und Mädels eine exquisite Gelegenheit zuzuhören, zuzusehen und zu lernen!

DIE NATIONALEN / INTERNATIONALEN MUSIKER UND BANDS

Konsequenterweise hat die tuvinische Gesellschaft exzellente, vor allem auch junge Musiker hervorgebracht! Und das Festival ist die Gelegenheit, ihnen das notwendige Forum für ihre Talente zu bieten.

Nur wenige Musiker aus Tuva kennt man in Europa oder im amerikanischen Jazz Kontext – unter ihnen die Band HUUN-HUUR-TU und die Kehlkopf- und Obertonsängerin SAINKHO NAMTCHYLAK, deren aussergewöhnliche Stimme durch den deutschen Bass Spieler PETER KOWALD† bekannt wurde. Es ist auch Sainkho Namtchylak, die mich 2002 nach Tuva einlud und so zur Entstehung und Realisierung des Tuva Projekts beitrug.

Die erste Formation, die auftritt, ist das nationale Orchester aus der Hauptstadt - ORKESTR NARODNYKH INSTRUMENTOV KYZYL – bezaubernde junge Musiker/Musikerinnen, die mit Präzision nationale Musikschätze zur Aufführung bringen. Einige der Lieder werden immer wieder von den vielen nachfolgenden Bands interpretiert und mit jeder Wiederholung festigen sich die Melodien in meinem Gedächtnis, klingen nach dem Beat der Pferdehufe auf der Steppe, oder nach dem Rhythmus der auf und ab wogenden Bergketten, die den Ort säumen, oder nach dem Verwirrspiel der Lichtreflexe auf dem Strom Yenisei.

Und die Musik erzählt Geschichten der Freude, mäandrierende Märchen aus Klängen, die weit ausholen, während sich meine Augen an den glänzenden Gewändern und den blütenähnlichen Hüten sommerlicher Eleganz ergötzen. Tänzer kommen auf die Bühne mit überdimensionierten Hüten und Masken – GRUPPA «ÉNE-SAJ» KYZYL – um die bösen Geister zu vertreiben...

Es ist prächtig. Und als die Sicherheitsabsperrungen fallen und das Publikum aus Begeisterung beinahe die Bühne erklimmt, ist das Festival perfekt!

Musiker kamen von Fern und Nah, so JORMA TAPIO und seine Free Jazz Band aus Finnland GRUPPA «KASKI», oder die gefeierte Avantgarde GRUPPA «NEW A» aus SAMARA, oder ANDREJ RUDENKO aus KAZAN, der zwei Jahre in Irland gelebt hat... oder die Rock Gruppe TEATR «BOLNO DALEKO» aus der UKRAINE, die tagelang zum Festival auf Reisen war, oder die wunderbare improvisierende Flötistin HELEN BLEDSOE aus DEUTSCHLAND und ebenfalls aus Deutschland HERBY WAGNER, der seine meditative Musik im buddhistischen Tempel zur Aufführung bringt, weitgehend unbeachtet von der Menge... oder die junge Band «ARMAN» aus KAZAKHSTAN sowie die Stars der elektrifizierten Musik, die GRUPPA «AJAN» aus KYZYL.

Unvergesslich NINI BANG und CHRISTINE FENTZ, zwei junge Sängerinnen und Flötistinnen aus Dänemark, die mit ihrer fröhlichen Vikinger Musik nach Fernost reisten... oder der traditionelle russische Chor ANSAMBL «OKTAJ» aus KYZYL.

GRUPPA «TYVA KYZY» aus KYZYL ist eine wunderschöne Frauenband. CHODURAA TUMAT leitet die Band und ist stark von der tuvinischen Tradition beeinflusst. Sie gründete auch die GRUPPA «TYVA KYZY – 2» KYZYL, ein kleines Orchester mit Musik Studentinnen. Sie wird eine Komposition für das UNCOOL Festival 2006 schreiben.

Am Festival teilgenommen hat auch KONGAR-OOL ONDAR, Meister des Kehlkopfgesangs und Gründer des 1-Raum Museums traditioneller tuvinischer Instrumente. Er tritt auf mit der phantastischen jungen Band GRUPPA «ALASH» aus KYZYL. Und ANATOLIJ KUULAR, Sänger, Byzaanchy und Homus Spieler und früheres Mitglied der berühmten Band HUUN-HUUR-TU, zeigt sein Können am Festival.

Circa 40 Bands, Ensembles und Orchester sind vor Ort, etliche auch aus der Musikschule in Kyzyl. Ich möchte hier die Gruppen aufzählen, die bisher nicht genannt wurden:

ANDREJ OPEJ (BAJ-TAIGA), GRUPPA «SYRYNAL» KYZYL, GRUPPA «ADASHKYLAR» OVJUR, VIA «CHINCHI-SAJ» CHELI-KHOLSKIJ KOZHUUN, GRUPPA «SYRYN» OVJUR, BAJLAK MONGUSH (RSHI), ANSAMBL «OJNA» (RSHI), KVARTET «NJUANS» ABAKAN, TRIO RSHI KYZYL, «AKUSTILESKAJA KRYSHCHA» KRASNOJARSK, GRUPPA «SAJZYRAL» CHEDI-KHOL, GRUPPA «KOSHKUN ARAT» KYZYL, GRUPPA «AMYRGA» KYZYL, GRUPPA «AZHYRBAS» KYZYL, GRUPPA «CHELÉÉSH» CHADAN, GRUPPA «DUGAJ», GRUPPA «CHANGY-KHAJA» KYZYL, GRUPPA «MEZHEGEJ» TANDY, GRUPPA «MOM» KYZYL, GRUPPA «KOSHKUN KHOGZHUM» KYZYL, GRUPPA «GNILOROT» KYZYL, GRUPPA «SALGAL» KYZYL, «CHADAANANYL SYZYRGAZY» CHADAN, GRUPPA «CHETVERTYJ KVARTAL» KYZYL, OLEG KOLIADINTSEV - MOSCOW...

... Und natürlich THE SUN RA ARKESTRA aus USA unter der Leitung von MARSHALL ALLEN, der der Band 1958 beitrat und sie seither niemals verlassen hat! The Sun Ra Arkestra wurde von SUN RA gegründet –

MISTER MISTERY
DEEP PURPLE AND SALT BLUE CLOUDS
IN A RAINBOW STAR LIT SKY
SUN RA WENT THERE WHEN HE LEFT THIS PLACE
IN A FLYING SAUCER THAT CAME FROM OUTER SPACE
THE SECRET OF HIS KNOWLEDGE WAS
ABSTRACT MISTERY SONGS
SUN RA LEFT THEM WITH HIS ARKESTRA
AND THE SECRET SOURCES THAT ON THE PLANET STAY
HE SPOKE OF HELIOCENTRIC WORLDS AMONG THE PLANES OF SPACE
DISCIPLINES OF RA
AND THE FUTURE FIRE
AND THE ALIEN TOWER
HOW SO EVER HOW SO EVER HOW SO EVER
THEY ARE HERE TO STAY
MISTER MISTERY MISTER MISTERY MISTER MISTERY...

ART JENKINS Poesie / MARSHALL ALLEN Musik

THE SUN RA ARKESTRA under the direction of Marshall Allen - MUSIC FOR THE 21st CENTURY, El Ra Records 50322


Die Besonderheit von The Sun Ra Arkestra ist die strahlende Erscheinung in phantasievoller Weltraum-Bekleidung und glitzernden Hüten, der unvergessliche Swing, der einen mit der Musik mitfliessen lässt, die Tänze der Musiker, wenn sie die Stufen heruntersteigen, um dem Publikum ihre Musik nahe zu bringen – A BETTER MUSIC FOR A BETTER WORLD (Marshall Allen). Die Musik ist individuell arrangiert und entwickelt sich zu perfekter Harmonie und turbulenten Ausbrüchen fliegender Klänge...

WHEN YOU WISH UPON A STAR
MAKES NO DIFFERENCE WHO YOU ARE
ANYTHING YOUR HEART DESIRES
WILL COME TO YOU....
N. WASHINGTON and L. HARLET

singt ART JENKINS in seiner zartesten Stimme für ein glücklich lächelndes Mädchen, das er in seinem Arm hält... Ja, The Sun Ra Arkestra ist der leuchtende Star des Festivals und das Publikum tanzt, schwenkt die Arme und klatscht in die Hände.

WE TRAVEL THE SPACEWAYS FROM PLANET TO PLANET...

Mit diesem bekannten Lied von Sun Ra und einigen kosmischen Sprüngen verschwinden die Musiker einer nach dem anderen und die Melodie verharrt schwebend in der Nacht.

FESTIVAL ANGEBOT

Das Festival ist bevölkert mit kleinen Küchen, offenen Feuern und Ständen, wo das Publikum allerlei Speisen kaufen kann wie PELMENI, SHASHLYK, MILCHTEE oder bunt eingepacktes KONFEKT, aber auch traditionelle KLEIDUNG und von Hand gemachte Souvenirs wie beispielsweise das aufgemalte Gesicht des BERGGEISTES auf einem Stück Borke. Die Buden sind einfach gebaut mit einigen Latten, die den Raum abstecken, und mit aufgespanntem Tuch als Wände in spielerischen Farben, Blumenmustern und geometrischen Formen – jede verschieden von der anderen.

Die Musiker haben ihr eigenes Restaurant, das mich an ein mediterranes, gekalktes Monolokal erinnert mit leichten Kunststoff Tischen und Stühlen und zu Dreiecken gefalteten Servietten, die in eigelben Plastikhaltern stecken. Zu den schmackhaften Gerichten gibt es Schwarztee, Milchtee oder KOMPOTT, ein vorzügliches Getränk, gewonnen aus gekochten Äpfeln und Rosinen.

AI-TCHOUREK – MONDHERZ

Es ist früh nachmittags als ich über das Festivalgelände schlendere. Aus dem Nirgends erhebt sich ein starker Wirbelwind, der die trockene Erde zu Staubwolken verbläst. Zu meiner Verblüffung kann ich keinerlei Wetterveränderung am Himmel ausmachen. Aber als ich den Staub aus meinen Augen reibe, steht die Schamanin AI-TCHOUREK vor mir. Sie ist eben per Auto von TOS DEER angekommen, einem der schamanistischen Zentren von KYZYL. Und dann – verstummt der Wind so unerwartet wie er begonnen hat.

I AM THE BROTHER OF THE WIND
I AM THE BROTHER OF THE WIND

WE ARE THE PATTERN FOR THE SPIRIT OF MAN
IF THE SPIRIT OF MAN IS STRONG
IT WILL BE AND DO AS I
AND MY BROTHER

ONLY FEW SPEAKS THAT I AM THE WIND
ONLY FEW SPEAKS THAT I AM THE BROTHER OF THE WIND

I THE WIND COME AND GO AS I CHOOSE
AND NONE CAN STOP ME
I THE WIND COME AND GO AS I CHOOSE
AND NONE CAN STOP ME

YOU CANNOT BREATHE WITHOUT THE WIND
YOU CANNOT LIVE WITHOUT THE WIND
THE WIND IS THE AIR ALL AROUND YOU
IT CAN CRASH YOU IF IT WILL
WHAT COULD YOU DO TO DEFEND YOURSELF

SUN RA – SPACE IS THE PLACE, Film 1974

Schamanismus war ein natürlicher Bestandteil des spirituellen und kulturellen Lebens des tuvinischen Volkes. Wie die buddhistischen Mönche, so wurden auch die Schamanen im Sowjet Kommunismus verfolgt und gezwungen, ihren Glauben und ihren Beruf aufzugeben. Erst kürzlich, dank Perestroika, dürfen die Schamanen wieder ihr geerbtes Wissen praktizieren und haben demzufolge verschiedene schamanistische Zentren gegründet, wo sie ihre Zeremonien feiern, Menschen heilen und sie in ihren Bedürfnissen und Wünschen unterstützen.

Die Schamanen sind das Bindeglied zwischen der GEISTERWELT / der NATUR und dem Menschen. Ihr Handeln ist ausgerichtet auf REINIGEN, WEIHEN, WAHRSAGEN, HEILEN, lehren zu TEILEN, ENERGIE aus dem Universum zu beziehen, GLEICHGEWICHT zu schaffen...

Die Schamanen verwenden den ALGISH, den schamanistischen Gesang zusammen mit einem regelmässigen kräftigen Rhythmus auf dem BUBEN, dem grossen Tamburin, dessen hölzerner, mit Tierhaut überzogener Rand manchmal neun mal drei nebeneinander liegende Verdickungen aufweist und manchmal magische Zeichnungen auf der Trommelmembran. Die Trommel wird mit einem Fell überzogenen Schlägel gespielt, woran klirrende Metallringe befestigt sind.

Ihre Riten sind sehr künstlerisch und beinhalten MUSIK, TANZ, POETISCHE REZITATIONEN, den RITUELLEN KOPFSCHMUCK und die seltsame KLEIDUNG, die aus Stoff und tierischen Attributen erschaffen ist – beispielsweise Adlerfedern, Bärenklauen, Knochen und Zähne von Moschushirschen, Fell und Pferdehaar – und der AEREN, der Geisterpuppe, die die schamanistische Arbeit unterstützt. Wachholder ARTISH ist ein köstlich riechender und reinigender Weihrauch, der regelmässig während den Zeremonien verbrannt wird.

AI-TCHOUREK – MONDHERZ kommt gerade rechtzeitig, um den letzten Konzerttag noch zu erwischen und sie tritt mit CHODURAA TUMAT (Gesang) und MARSHALL ALLEN (Altsaxophon) auf – ein wunderbar inspiriertes Musikstück, in dem sie eine DEMIR-HOMUS, eine metallene Maultrommel spielt...

Die Konzerte sind zu Ende und über der Bergsilhouette schwebt der Vollmond – einige Musiker aus Ost und West sitzen um ein Feuer zusammen und spielen Melodien zu improvisierter Poesie... Marshall und ich schlendern zu einer der open-air Küchen für einen Happen. Die Wirtin gibt uns mit Händen und Mimik zu verstehen, dass sie sich persönlich sehr über The Sun Ra Arkestra gefreut hat und offeriert uns heissen Milchtee – genau das Richtige in dieser etwas frischen sibirischen Nacht bevor wir zwischen Matratze und warme Decken schlüpfen, die von Chadanas Bevölkerung Stück für Stück zur Verfügung gestellt wurden...

TUVINISCHE KULTUR: PFERDERENNEN, RINGEN und SEILTANZ

Das Konzept des Festivals umfasst neben traditioneller und zeitgenössischer Musik, buddhistischen und schamanistischen Riten auch andere Formen tuvinischer Kultur: PFERDERENNEN, RINGEN und SEILTANZ (am Milchsee, den ich verpasste habe).

Das Land ist so weitläufig, dass niemand daran denkt eine Rennbahn zu errichten. Die Reiter reiten ihre Pferde ohne Sattel und reihen sich nebeneinander zum Start auf – dann beginnt das Rennen und sie galoppieren über die Steppe, eine Staubwolke hinter sich lassend. Der Sieger wird in ferner Distanz erkoren, als man sie beinahe schon aus den Augen verloren hat – es sind ein schlankes, elegantes, weisses Pferd und sein talentierter Reiter.

Es ist ein heisser Tag und die Sonne scheint stechend auf den Zuschauerring, in dessen Mitte junge Männer sich anpreisen mit gespreizten Armen wie Adler. Sie klatschen ihre Hände auf ihre nackten Schenkel mit einem lauten überzeugenden Ton. Dann werden sie paarweise in den Ring gerufen mit dem Ziel den Gegner schnell zu Boden zu werfen – wer zuerst den Boden berührt, hat den Kampf verloren. Knoel Scott lässt es sich nicht nehmen, mitzumachen. Er sieht toll aus in den grossen Stiefeln, dem blauen Slip, den grünen Ärmeln, die seine Arme halb bedecken und seinen muskulösen Körper zur Schau stellen. Er rockt hin und her, während er auf seinen Gegner zugeht, der recht schmächtig neben ihm wirkt. Aber dann – ein Bruchteil einer Sekunde dauert die gut dosierte Attacke und Knoel stolpert über des anderen Bein und geht zu Boden... Sein heroischer Versuch wird enthusiastisch beklatscht.

DIE REISE IN DIE BERGE ZUM MILCHSEE

Wir lassen einen Teil des Gepäcks im buddhistischen Tempel zurück und nach der Eile werden wir zu einem Restaurant im Städtchen gebracht für Frühstück/Mittagessen, dann in Busse gepackt und die Reise beginnt in Richtung TAIGA – zu den Bergen, die im Nordwesten von Chadana liegen.

An der Distriktgrenze empfängt uns der Präsident des Distrikts Milchsee mit einigen traditionell gekleideten Schönen, die uns Milchtee und blaue Schals anbieten.

Dann geht’s weiter, die asphaltierte Strasse verwandelt sich in eine Naturstrasse, die durch Weiden und Birken bestandene Bäche, Waldlandschaft und entlang einem wilden Bergtal führt.

Wir halten an einem spirituellen Platz, wo drei Steinbrocken – einer grösser als der andere - auf einem Felssockel neben einem OVAA ruhen. Nun werden die Männer aufgefordert für ein gutes Schicksal alle drei Steine (oder zumindest einen) eine Runde um den Felssockel zu tragen – ein herkulisches Unterfangen!

Das Gepäck wird in Jeeps und kleinere Busse umgeladen und die Reise setzt sich fort über Hügel und durch Lärchenwälder. Wir machen Halt an einem Scheitelpunkt, blicken auf die in melodischer Ordnung sich reihenden Bergketten, die im Dunst der Sommerhitze verschwinden. Ich entschliesse mich bis zum nächsten Gipfel zu laufen, von wo aus ich den See sehen würde.

Was ich dann zu sehen bekomme, ist ein Bild aus einem Märchen – unter dem spriessenden Grün einer Lerche, vor der schützenden Felswand steht ein wunderschön gesatteltes, braunes Pferd mit schwarzer Mähne und Schweif inmitten intensiv ultramariner Blüten, die ihre Schmetterlingsflügel ausgebreitet haben. Das Pferd hebt den Kopf und, das würzige Gras kauend, beäugt es meine unerwartete Erscheinung...

Die Sicht vom Gipfel fliegt über die Wald bewachsenen Abhänge, über die sumpfige Ebene zum hell glänzenden See, der in vollkommener STILLE am Fusse des KYZYL TAIGA, des ROTEN BERGES liegt.

Mit IOURI vom Samara Festival laufen wir bergab durch die Kostbarkeit des Lerchenwaldes, bei jedem Schritt tief ins Moos versinkend, sodass das Gehen sich nach Zeitlupe anfühlt mit einem betonten Auf, Vorwärts und Ab Rhythmus. Das ist ein unvergleichliches Gefühl! Der Wald ist wild und von Menschen unberührt, mit einer unbekannten Vielfalt an Blumen und Gräsern und als wir das Sumpfland am Seeufer erreichen, steigert sich die Vielfalt der Blumen und Farben noch und ruft ein Gefühl des Glücks und der Seligkeit hervor. Ich habe niemals zuvor eine solche Naturschönheit erfahren und ich begreife, dass es die wechselnde Verschiedenheit der Erscheinung und des Ausdrucks ist, die diese Schönheit ausmacht – nicht die Monokulturen, die so vordringlich die europäischen Landschaften beherrschen. Ja! Ich fühle mich beschenkt, diesen vor Freude strotzenden Reichtum der Biodiversität zu erfahren.

Jeder wird nun die respektvolle Ausgestaltung der nach oben gebogenen Spitze tuvinischer Stiefel verstehen, wovon behauptet wird, dass auf diese Weise die Pflanzen beim Gehen geschont werden...

Als ich die ausgefahrene Autospur erreiche, kommt mir ein Jeep entgegen, hält, Leute steigen aus und stellen sich als Mitglieder der medizinischen Versorgung vor, die unsere Gesundheit in den Bergen sicherstellen sollen. Sie bieten mir eine Tasse heissen Tee an, der köstlich schmeckt nach der Wanderung, und natürlich stellen wir uns neben- und hintereinander zum Gruppenbild....

So komme ich im Camp an – ein hölzernes Ein-Raum-Haus, eine schräg am Hang stehende Jurte, eine kleine Hütte, die sich als Küche entpuppt, mit einem Feuer davor und an einen Baum gebunden steht traurig das Schaf in Erwartung seiner Schlachtung. Kleine Zelte lagern zwischen den Bäumen und da und dort ein loderndes Feuer, wo Leute Wasser für Tee kochen oder ihre feuchten Kleider und Schuhe zu trocknen versuchen. Ein Nieselregen fällt und am Holztisch werden Brot, Ölsardinen und Milchtee den Neuankömmlingen gereicht, die liebend gerne tuvinische Stiefel tragen würden, um nicht auf die EDELWEISS (Leontopodium alpinum) zu treten, die überall blühen! Das Edelweiss ist eine sibirische Blume, die während der Eiszeit nach Europa wanderte und zum Symbol der Alpen wurde.

СУТ - ХОЛ  –  SÜT-CHOL
MILCHSEE ca. 1800 m über Meer

Marshall Allen und ich unternehmen einen Spaziergang zum Seeufer. Wir werden genau beobachtet von drei Menschen in einem kleinen Boot, das uns in kurzem Abstand folgt. Ihre Befürchtungen stellen sich als berechtigt heraus: Es scheint, als ob das Wasser uns gefangen hielte. Beim Versuch zum Camp zurückzukehren, versinkt Marshall knietief im Moor, und als er das Bein freikriegt, fehlt seine Sandale... Von Art Jenkins erhält er eine trockene Hose und von unserem Gastgeber ein paar rosarote Wollsocken, Reitstiefel und einen voluminösen Schaffellmantel, der ihn perfekt warm hält in diesem rauhen Bergklima.

Der Geist des Milchsees ist eine junge, potente Frau. Es wird geraten, nicht im See zu baden und als Frau den See nicht einmal zu berühren, sonst wäre Unheil zu erwarten. Vielleicht hat es damit zu tun, dass wir das Wasser des Sees trinken können – ausgewogenes, geschmackvolles, gesundes Wasser.

Die erste Nacht in der kleineren Jurte auf einem unebenen, geneigten Boden ist kalt, feucht und der Transporter mit den Matratzen und Decken wird nicht vor dem nächsten Mittag erwartet. So schälen wir uns am Morgen aus verschiedenen Lagen Kleider und einigen Bettlaken und sind froh, dass die Sonne scheint und unsere steifen Glieder wärmt...

Auf einem nahe gelegenen Plateau versammeln sich die Menschen zur buddhistischen Zeremonie. Die schwarzen Milane kommen angeflogen und ziehen ihre Kreise über der betenden Gemeinschaft. Die Luft ist rein und klar. Und dieses wertvolle Gefühl von FRIEDE und STILLE liegt über allem.

Später bringen die Nomaden ihre Pferde für die Musiker zum Reiten. Die Beziehung der Einheimischen zwischen Pferd und Reiter ist ausgesprochen eng. Es wird erzählt, dass das Pferd seinen Reiter wählt. Wenn es dich mag, dient es dir, andernfalls hast du keine Chance. Einige Musiker bekommen diese Chance, ein williges Pferd zu reiten... Es ist YAHYA ABDOUL-MAJID, der mich wissen lässt, dass Reiten sein lang ersehnter Wunsch ist, der sich in diesem PARADIES und abseits der lauten Zivilisation der Städte verwirklicht.

Am nächsten Tag ist es an AI-TCHOUREK, die Zeremonie vorzubereiten. Gemeinsam mit einer anderen Schamanin hatte sie eine pyramidale, ca. 3 m hohe Struktur aus drei jungen kahlen Lerchenstämmen errichtet und sie mit weissen Bändern geschmückt. In deren Mitte ist ein Steinkreis, der Beginn eines OVAA... da die Leute nicht nur Münzen und Süssigkeiten spenden, sondern auch Steine dazulegen.

Daneben hat sie eine Vertiefung für das rituelle Feuer ausgehoben, das nun von dem ältesten Mann entzündet werden soll. Reis, Bonbons, Konfekt, Gebäck, Zigaretten werden dem Feuer und den Geistern übergeben, die die Gaben mit dem tanzenden Rauch aufnehmen würden. Ai-Tchourek schlägt ihre Trommel, singt ihr schamanistisches Lied ALGISH und umkreist das Feuer in schwingenden Bewegungen.

Dann gibt sie Marshall eine HOMUS, eine Maultrommel in einem schönen, geschnitzten Etui und als besonderen Schutz für das Sun Ra House, einen kleinen roten Beutel mit Reis und anderen spirituellen Zugaben und verziert mit einer Bärenklaue, bunten Bändern und Perlen.

Für mich hat sie ein grosses Armband aus geschliffenen Türkis, Lapis Lazuli, Jade und Unakit / Epidot Steinen ausgesucht – alle mit einer heilvollen Bedeutung. Für jeden Musiker hat sie ARTISH vorbereitet – Wachholderzweige, die mit bunten Fäden zusammengebunden sind: violett des Sonnenuntergangs, Rosen rosa, Türkis blau, Zitronen gelb. Das Weihrauchgebinde soll in Zeiten der Krise entzündet werden und die positive Lösung verstärken...

Der Nachmittag bringt die Darbietung der SEILTÄNZER und tuvinischer LIEDER, vorgetragen von verschiedenen Sängern – unter ihnen ein junger Mann aus Chicago, der in Tuva verheirat ist und seitdem dort lebt. Er spricht fliessend russisch und tuvinisch und singt KARGYRAA – den tiefen melodischen Klang der Wurzeln.

FEUER DER FREUNDSCHAFT

In der Abenddämmerung wird das FEUER DER FREUNDSCHAFT vorbereitet mit langen Lerchenstämmen und einigen Ästen. Sie werden mit Benzin übergossen, da sie wegen des vielen Regens feucht sind. Aber viele der internationalen Freunde fehlen, da sie sich in der Jurte von dem eher kühlen Tag wärmen. Nicht einmal Marshall will den Schutz der Jurte verlassen und sich hinaus in die nasse Kälte der Nacht begeben.

Das Feuer wird entzündet, mit einem explosiven Lodern verbrennt das Benzin und das Feuer schwindet bis auf eine kleine Flamme zwischen den Stämmen. Zwei tuvinische Freunde versuchen mit viel Sorgfalt die kleine Flamme zu erhalten und sie zu vergrössern... Aus dem Nichts schiesst ein Blitz hernieder, unmittelbar gefolgt vom Donner, ein zweiter Blitz erhellt die Szene und noch bevor das nächste Grollen zu hören ist, fällt sintflutartig der Regen, der Pfad ist in Sekundenschnelle glitschig und wir rennen Schutz suchend quer durch den Wald, bergauf und bergab zur Jurte...

Mein Hut, meine Jacke, Hosen und Schuhe sind pitschnass, obwohl ein netter Mann im Tarnanzug ein Stück Regenpelerine über mich hält, um das Schlimmste abzuwenden. In der Jurte ist es feucht, dunkel und voller Menschen. Im Lichte einer Taschenlampe sehe ich Marshall, wie er Matratze und Gepäck vor dem Regen zu retten versucht, der genau über seinem Platz durch das Dach dringt. Endlich kommt jemand, um das Leck mit einem Stück Plastik abzudichten. Es hält. Mit dem Unwetter, erzählt Marshall, erfasste ein heftiger Windstoss die Jurte, schüttelte sie so ungestüm, dass er dachte, sie würden allesamt – Menschen, Jurte, Gepäck, Matratzen, Decken, Kleider, Instrumente – alles würde in einem einzigen Atemzug hinweggefegt werden!

Es ist übervoll in der Jurte. Wir schlafen wie die Sardinen in der Büchse. Und als die morgendliche Nudelsuppe serviert wird, sieht es draussen immer noch nach regnerischem Grau aus. Jemand fordert die Sun Ra Musikern auf, zusammen mit den Anderen in der Jurte zu improvisieren. Dann erscheint jemand in der Türfassung, um uns zu Ai-Tchoureks Sonnen-Zeremonie abzuholen. Sie bläst ihre tief klingende Meeresmuschel und wir stehen im Halbkreis, halten uns an den Händen, die Arme gegen den Himmel gereckt und singen ein freudiges AAAAA...

Jemand sagt, die Anrufung würde sowieso nicht helfen, man bräuchte bloss auf die Wetterkarte zu blicken, um zu wissen, dass wir uns in einem ausgesprochenen Tief befinden...

HERBY WAGNER, der deutsche Musiker schlägt vor, ein Cis zu singen, den Sonnen-Ton, den er auf seiner SHRUTI BOX als ununterbrochenen Klang erzeugen kann. So entsteht eine äusserst zarte Improvisation mit allen Musikern, die sich in der Jurte mit ihren Instrumenten eingefunden haben – Saiten- und Blasinstrumente, Perkussion und Stimme... Es ist eine Improvisation über den Sonnen-Ton unter der Sonnen geformten Konstruktion der Jurte und als das Stück zu einer verharrenden Stille findet, lacht die Sonne in einem klaren Himmel und weisse Wolken verschwinden hinter dem KYZYL TAIGA, dem roten Berg.

DIE RÜCKKEHR

Am nächsten Tag brechen wir auf – nicht in Eile und nach mindestens zwei Mittagessen, einer Ruhepause in der Sonne, einer letzten Runde auf dem Pferderücken. Die Gelegenheit, sich die wunderbare Aussicht über den Milchsee zu den bläulich schimmernden Bergen in der Ferne einzuprägen, wo die Wolken sich sammeln und über die Wälder und Abhänge tropfen.

Ich laufe mit einer kleinen Gruppe Musiker barfuss durch den Sumpf, fühle das frische reine Wasser an meinen Füssen wie eine prima Massage. Dann nehmen wir den Weg durch die Wälder und machen an einer Nomaden Jurte Halt. Wir werden bewirtet mit leckerem Frischkäse, goldener Butter, Brot und dem traditionellen Milchtee. Dann wird eine der Ziegen geschlachtet und in einer Holzschale werden die gekochten Blutwürste, Innereien, Herz und Leber aufgetragen, sowie auch Fettstücke und Muskelfleisch. Fett wird als speziell kostbar und köstlich betrachtet und es ist eine Ehre, es angeboten zu bekommen.

Dann werden wir von einem Bus abgeholt und direkt zum ÖFFENTLICHEN BAD in СУТ-АКСЫ – SYT-AKSY gefahren. Das Bad ist getrennt in Frauen und Männer Abteil. Zwei Röhren spenden heisses und kaltes Wasser, das in einer emaillierten Schüssel gemischt wird. Wohltuend, das warme Wasser über Kopf und Schultern zu kippen, Füsse und Beine zu entspannen und die Hitze des Tages abzuwaschen.

Das Konzert findet im Stadion dieses Dorfes statt, wo Igor und die besten Ringer geboren wurden. – Es ist ein ziemlich grosser Platz, der von hölzernen Tribünen eingefasst ist und der Boden besteht aus dem unregelmässigen Muster von Vegetation und barer Erde. Es wimmelt von Zuschauern, jeder will ein Foto haben mit den von Ferne angereisten, andersartigen Musikern in ihrer Weltall Kluft, die in den warmen Farben des Abendlichts aufblitzen. Und in den Augen der vielen neugierigen Kinder, die eng aneinander gedrückt dasitzen, ist die Freude über diese Musik zu sehen.

Die Sonne geht unter und die Vodka Gläser werden zum Toast erhoben für die INTERNATIONALE FREUNDSCHAFT und MUSIK und sind begleitet von den auserlesensten Speisen tuvinischer Küche und exzellenter Bewirtung. Der Vorsteher des SÜT-CHOL Distrikts und Bürgermeister des Städtchens SÜT-AKSY liess uns sein warmes Willkommen fühlen.

KNOEL SCOTT hält eine sehr private Rede, erzählt, was er am MILCHSEE gesehen hat und was die Schamanen als gutes und mächtiges Ohmen für seine Zukunft deuten. Es waren tanzende menschliche Gestalten, die sich wunderschön bewegten, schwebten, über das Wasser in Kreisen glitten, und als sie verschwanden, tauchte ein Coyote auf, der sich in ein Pferd verwandelte, das wiederum in einen Adler, der im nebligen Himmel verschwand.

BUSFAHRT IM MORGENROT

Der Bus heult auf der verlassenen Strasse, hält von Zeit zu Zeit, einige Vodka Flaschen machen die Runde, Schnarchen, eine gesummte Melodie, ein Lied, ein paar Witze und Zigaretten in den Pausen. MORGENRÖTE – die Nächte im nördlichen Sommer sind kühl und irritierend kurz. Durch das fordere Busfenster zeichnet sich eine orangene Linie am östlichen Horizont ab. Sie geht über in das samtige Blau der Nacht, übersät mit blinkenden, blitzenden Sternen in einer kaum je erfahrenen Dichte, die zum Vergleich Diamanten blass aussehen lässt!

KYZYL – DIE ROTE STADT

Wir holen unser Gepäck in Chadana ab und erreichen mit dem neuen Tag das Hotel MONGÜLEK in KYZYL. Mongülek bedeutet im Tuvinischen “weiss“, weiss wie MONGÜLEK TAIGA, die weissen Berge, sich beziehend auf das weisse Gestein. Weiss ist die Farbe der GEISTER und ein weisser Weg ist ein offener Weg, der sich glatt und reibungslos in eine gute Zukunft entwickelt...

Vor dem Hotel MONGÜLEK befindet sich eine blau überdachte Bar, die früh öffnet und spät genug schliesst, um die Bedürfnisse der Gäste zu befriedigen. Später am Tag grillen auch einige junge Leute SHASHLYK auf Holzkohlen und bieten die Fleisch-Spiesschen mit Zwiebelringen, weichem Brot und auf Wunsch mit Ketchup an – das ist also das TUVINISCHE FASTFOOD.

TOS DEER (neun Himmel), das schamanistische Zentrum bewirtet uns mit traditionellem Essen – gekochtem Schaffleisch, speziellem Käse, Doppelsauercreme, Reis oder Nudeln gespickt mit Fleischstückchen, ein wenig Gurke, Tomate, Kohl- und Möhrensalat, Kekse und Süssigkeiten, und natürlich Milchtee und Pulverkaffee.

TOS DEER liegt am Strom YENISEI und besteht aus einem aus Holz gebauten Hauptgebäude und zwei Jurten – eine für die Familie, die den Haushalt führt, eine für die Gäste. Vor dem Haus befindet sich ein grosses OVAA, geschmückt mit vielen CHALAMA, die von den Ästen und den dazwischen gespannten Schnüren hängen. Neben dem Ovaa ist die runde Feuerstelle angelegt, wo die rituellen Feuer entzündet werden und daneben befindet sich der rituelle Kreis aus neun Pfählen – analog den neun Himmeln – die untereinander mit Chalama behängten Schnüren verbunden sind.

DER STEINKREIS

Mit der Feier der GRÜNEN BLÄTTER – dem Sommer Ritual, das mit der ersten schmalen Sichel des zunehmenden Mondes am Abendhimmel gefeiert wird – hat AI-TCHOUREK zusammen mit den Schamanen des Zentrums das OVAA in einen STEINKREIS verwandelt, indem sie die neun Pfähle als äussere Grenze benutzt und die Äste und Chalama des Ovaa unter den umgeschichteten Steinen begraben hat.

Während des Rituals werden alle AEREN, die magischen Puppen, auf den Steinkreis gesetzt. Die Schamanen versammeln sich, AI-TCHOUREK entzündet ihre Pfeife und raucht für die Geister. Dann segnet sie rituelle Objekte, die ihr einige Anwesende mit speziellen Wünschen für sich und andere gegeben haben. Sie taucht sie in die Milch in einer Holzschüssel, spricht über sie Worte der Weisheit und gibt sie den Besitzern zurück. Mit einem grossen hölzernen Löffel versprüht sie die Milch himmelwärts – für den Mond, die Sterne und die Sonne – und über den Steinkreis.

Das Feuer wird entfacht, das Hüftstück eines Schafs, das wie ein Gesicht mit Hörnern aussieht, ist gefüllt mit Reis, Butter, Keksen und bunten Bonbons. Es wird dem Feuer übergeben, während die Trommelklänge und ALGISH Gesänge die Luft erfüllen. Menschen sitzen eng nebeneinander auf Baumstämmen, die Hände gefaltet, die Gedanken voller Güte. Sie folgen den fliegenden Bewegungen der Schamanen, des Feuers, des aufkommenden Windes. Sie lauschen den Klängen und Bedeutungen der Gesänge, dem Rhythmus der Trommeln, der den individuellen Schlag und die besondere Intonation der Spieler aufweist und dennoch zu einem Lied, zu einer Melodie, zu einem Wunsch, zu einer Zukunft verschmilzt.

Wir erhalten frischen krümelnden Käse, den wir ins Feuer streuen und auf den Steinkreis. Der MOND ist nun aufgegangen, tanzt als glänzende Sichel über dem Strom, dessen changierende Farben von Perlmut bis nachtblaues Zwielicht sich in den fortwährend verändernden Reflexen des Wassers verfangen.

Als die Schamanen hinter unseren Rücken vorbei tanzen, sausen ein paar Schläge mit der schamanistischen Peitsche auf unsere Schultern hernieder – es tut nicht weh, ist aber doch heftig genug, um die potentielle Kraft des Hiebes zu spüren. Das Feuer verzehrt die Gabe vollständig, das Trommeln und der Gesang verstummen und Ai-Tchourek hält eine Rede in ihrer ausdrucksstarken Stimme, die keinen Zweifel an ihrer Botschaft lässt in jener schönen poetischen Sprache, die wie ein gurgelnder Bach klingt oder wie galoppierende Pferde oder wie der Gesang des Windes...

SPACE IS THE PLACE...

Das letzte Konzert von THE SUN RA ARKESTRA und den meisten Festival Musikern findet im Stadion von KYZYL statt, wo die Festivalbühne wieder errichtet ist. Am Abend finden sich mehrere Tausend Besucher ein und die Tribüne ist voll besetzt – wiederum viele junge Menschen und Kinder. Der Abend ist mild, der verstärkte Sound überwältigend und die Musik öffnet die Herzen – wie Igor sagt: Was die Regierung nicht in der Lage war während 50 Jahren zu erreichen, gelingt The Sun Ra Arkestra – die Freude an einer Zukunftsperspektive...

SPACE IS THE PLACE, YEAH SPACE IS THE PLACE

SUN RA

und mit einem weiteren kosmischen Hüpfer verlassen sie Kyzyl und Tuva, vielleicht nur um in naher Zukunft zurückzukehren und die Freundschaft zu erneuern, die eben erst zu spriessen begonnen hat...

LETZTER BLICK AUF DEN STOM YENISEI

Es ist früh morgens, als wir die Gäste Jurte von TOS DEER verlassen – wo wir uns getroffen haben, um meine Abreise zu feiern, wir alle eifrig bemüht, eine Welt der MUSIK und des FRIEDENS zu bauen. Ich schaue durch die Weidenzweige auf den Strom YENISEI – Mutter Sibiriens – der die erwachenden Farben des Himmels widerspiegelt, und dies sind die Worte der Melodie, die meine Gedanken streift...

SUNRISE
LOVE IN ITS SPLENDOUR
REACHES OUT TO A LOVER LIKE ME AGAIN
SUNRISE IN LOVE LOVE LOVE EVER LASTING

SUNRISE
LOVE EVER LASTING
SPEAKS TO ME IN METAPHYSICAL HARMONIES
WE MOVE TO CELESTIAL RHYTHMS RARE
UP WORD AND OUT WORD TO DELIGHT IN THE MYSTERIES

SUNRISE
FOR THE WORLD TO SEE
SUNRISE
IN OUTER SPACE
LOVE FOR EVERY FACE

SUN RA


Ich bedanke mich bei Marshall Allen und den Musikern von The Sun Ra Arkestra, dass sie dem Ruf Sibiriens, Tuvas und des Ustuu-Huree Festivals gefolgt sind, und ich danke Igor Dulush, dem tuvinischen TV, den Übersetzern und der Festival Crew für ihre grosse Hilfe und Unterstützung. Ich bin allen Musikern dankbar für ihre inspirierte Musik und ich drücke meinen besonderen Dank der Regierung der Republik Tuva aus, im besonderen dem Ministerium für Kultur für ihre unschätzbare finanzielle Unterstützung und ihre grosszügige Fürsorge!

 

 

 

BE YOUR WAY WHITE!

 

Cornelia Müller la ciaf
www.uncool.ch